BRSO barock

Marie Grevink, Mitglied der Ersten Geigen im BRSO
»Wie ein feiner Kupferstich«
Was bewegt ein Symphonieorchester heute dazu, so zu spielen wie früher?
BRSO-Geigerin Marije Grevink über unsere jüngste Konzertreihe BRSO barock.
Interview von Judith Kemp
Frau Grevink, wie ist »BRSO barock« entstanden?
Die Idee dazu, die anfangs den Titel »BRSO hip« trug, stammt von Sir Simon Rattle, und sie hat uns sehr angesprochen. Einige von uns haben sich bereits intensiv mit dem Thema der historischen Aufführungspraxis beschäftigt, da gab es also schon eine Basis. Bei anderen, für die das ganz neu war, schwang jedoch auch Unsicherheit oder Skepsis mit. Aber Simon hat so eine Art, die Leute mitzureißen, er sagt dann: »Okay, legen wir los!« Und dann springt man gemeinsam ins kalte Wasser, und das ist toll, denn sonst kommt man vor lauter »Aber« gar nicht vom Fleck.
Eine besondere Rolle bei dieser Aufführungspraxis spielen die Instrumente.
Wir hatten schon vor einer Weile Barock-Streichbögen erworben und damit auf unseren modernen Instrumenten gespielt. Die »alten« Instrumente mussten wir jedoch für das erste Konzert der »barock«-Reihe neu beschaffen. Bei den Blasinstrumenten und bei den meisten Streichinstrumenten handelt es sich um Nachbauten historischer Modelle. Aber unter den Streichinstrumenten sind auch Originale, bei denen alle späteren Anpassungen wieder zurückgebaut wurden. Aber egal, ob nachgebaut oder zurückgebaut: So ein historisches Instrument ist anders konstruiert, und das sorgt für ein anderes Spielgefühl.
Und wie klingt das dann?
Ein besonderer Klang ergibt sich durch den etwas tieferen Stimmton von 415 Hz, der in der Alten Musik gebräuchlich ist und den wir auch übernommen haben. Dann ist in einem Barockensemble die Balance zwischen Streichern und Bläsern eine ganz andere als in einem Symphonieorchester, vor allem, weil die Blasinstrumente völlig anders klingen. Da hörst du nie den Satz »Das Blech ist zu laut«, und die Oboen kommen gut durch. Die Durchsichtigkeit ist beim Ensemblespiel mit diesen Instrumenten besonders. Wenn man das bildlich denken will, dann kann man sich etwa einen feinen Kupferstich vorstellen im Unterschied zu einem fetten Ölgemälde, das ein Symphonieorchester klanglich erzeugen kann. Beide Bilder können überwältigend sein, aber sie sind mit ganz anderen Mitteln gestaltet.
Hat sich das Orchester dazu von Fachleuten beraten lassen?
In der Vergangenheit haben wir uns bereits u. a. mit den beiden Dirigenten Giovanni Antonini und Reinhard Goebel mit dem Thema beschäftigt, auch mit unseren modernen Instrumenten. Für unsere ersten »barock«-Projekte hatten wir verschiedene Workshops, u. a. mit zwei führenden Geigerinnen auf dem Gebiet: Kati Debretzeni, der langjährigen Konzertmeisterin von Dirigent John Eliot Gardiner, und Leila Schayegh, die Barockvioline an der Schola Cantorum in Basel unterrichtet. Da ging es um Fragen wie: Wie hält man so eine barocke Geige überhaupt? Macht es Sinn, moderne Errungenschaften wie den Kinnhalter oder die Schulterstütze beizubehalten, oder welche Art Darmsaiten ziehe ich auf, also umsponnene oder unumsponnene, lackierte oder unlackierte etc.?
Und dann ging es sehr intensiv um die historische Einbettung der Musik. Hierfür haben wir uns anhand vieler Quellen und Musikbeispiele mit Themen wie der Darstellung der Affektenlehre durch den Barockkomponisten Johann Mattheson sowie mit Harmonie, Tempo, Stimmung und Rhetorik beschäftigt.
Inwiefern profitiert das BRSO davon, historisch zu spielen?
Es bildet uns weiter. Natürlich sind wir in erster Linie ein Symphonieorchester, aber wir bieten auch andere Facetten wie unsere Kammermusikreihe. Die Barockmusik ist nun ein weiterer Bestandteil unseres Wirkens. Dabei ist es mir sehr wichtig, das nicht dogmatisch anzugehen. Denn wir können ja immer nur vor dem Hintergrund unserer heutigen Zeit auf die Vergangenheit blicken, wir können nicht wirklich zurück und wissen darum auch nicht mit Sicherheit, wie vor 300 Jahren musiziert wurde.
Es gibt kein Entweder-Oder. Ich kann meinen Bach historisch informiert spielen, ich kann es aber auch nicht tun. Das eine ist nicht besser als das andere. Beides hat seine Berechtigung, und beides klingt vollkommen unterschiedlich. Die Beschäftigung mit historisch informierter Aufführungspraxis bietet also vor allem eine Erweiterung der klanglichen Möglichkeiten und ist damit eine große Bereicherung.
BRSO barock – Konzerte in der Saison 2025/26

BRSO barock · Sir Simon Rattle
Sonntag, 8. Februar 2026, 11 Uhr
Herkulessaal der Münchner Residenz
Werke von Johann Sebastian Bach, Johann Christoph Bach und Georg Friedrich Händel
Sir Simon Rattle Dirigent
Tim Mead Countertenor
BRSO barock

BRSO barock · Rachel Podger
Sonntag, 3. Mai 2026, 11 Uhr
Herkulessaal der Münchner Residenz
Werke von Henry Purcell, Johann Sebastian Bach, Georg Philipp Telemann und Jean Baptiste Lully
Rachel Podger Barockvioline & Leitung
BRSO barock