Lebensdaten des Komponisten: 25. August 1918 in Lawrence / Massachusetts – 14. Oktober 1990 in New York
Entstehungszeit: 1954
Uraufführung: 12. September 1954 im Teatro La Fenice in Venedig; Leonard Bernstein dirigierte das Orchestra del Teatro La Fenice, Solist war Isaac Stern.
»For me every music is serious.« So lautete das musikalische Credo Leonard Bernsteins, der mit allen nur denkbaren Stilen experimentierte, um zwischen Broadway, Jazz, Avantgarde und klassisch-romantischen Traditionen zu vermitteln. Bereits in jungen Jahren machte der Dirigent, Komponist, Pianist und Fernsehmoderator in Personalunion in den unterschiedlichsten Genres auf sich aufmerksam, etwa 1944, als neben seiner Ersten Symphonie Jeremiah auch das Ballett Fancy Free sowie das Broadway-Musical On the Town uraufgeführt wurden, das die New York Times als »das charmanteste Musical seit der goldenen Ära von Oklahoma« feierte.
Auf Bernsteins Oper Trouble in Tahiti sowie das Broadway-Stück Peter Pan von 1950 folgte Wonderful Town (1953), das den damaligen Zeitgeist der pulsierenden Metropole New York in schmissigen Melodien auf die Bühne brachte – ganz ähnlich wie in West Side Story, Bernsteins erfolgreichstem Musiktheaterwerk. Auch die Dirigentenkarriere Bernsteins nahm schnell an Fahrt auf, nicht zuletzt als er 1958 zum Chef des New York Philharmonic Orchestra ernannt wurde – als erster Amerikaner und jüngster Orchesterleiter, der diese Position je übernommen hatte.
Seine 1954 nach der Lektüre von Platons Symposion komponierte Serenade beschrieb Bernstein als eine »Reihe zusammenhängender Aussagen zum Lob der Liebe«: ein Werk in fünf Sätzen, denen die Namen der einzelnen im Text auftretenden Redner vorangestellt sind, wobei die Solovioline die Rolle des »führenden Sprechers« einnimmt (Bernstein). Die antike Geschichte erzählt von einem Festessen im Haus des Tragödiendichters Agathon. Gäste und Gastgeber nehmen an einem Debattierwettstreit teil, bei dem verschiedene Aspekte der Liebe diskutiert werden. Anwesend sind (neben anderen, in Bernsteins Werk nicht genannten Personen) der »hypochondrische Literat« Phaidros, der Philosoph Sokrates, der Sophistiker Pausanias, der Komödiendichter Aristophanes, der Arzt Eryximachos sowie der Krieger und Staatsmann Alkibiades, Freund und Schüler des Sokrates.
Nachdem Phaidros die Reihe der Sprecher mit einer Hymne auf Eros, den Gott der Liebe, begonnen hat – ein Fugato der Solovioline, das vom Streichorchester aufgegriffen wird –, folgen die Ausführungen des Pausanias, in denen das ideale Verhältnis zwischen den Liebenden thematisiert wird. Der zweite Satz handelt davon, wie Aristophanes den Mythos von der kugelförmigen Urgestalt des Menschen mit vier Armen, vier Beinen und zwei Gesichtern erzählt, die von den Göttern in zwei Hälften getrennt wurde: Nur Eros könne dem Menschen seitdem Heilung bringen, indem er die ursprünglich zusammengehörenden Hälften in der Liebe wieder zueinander finden lasse.
Nach der Rede des Eryximachos von körperlicher Harmonie – musikalisch gefasst in einem kontrastreichen Presto – folgt als vierter Satz der Beitrag des Gastgebers, in dem Bernstein »den vielleicht bewegendsten Vortrag im Dialog« sah: »Agathons Lobpreisung bezieht alle Aspekte der Macht, der Reize und der Funktionen der Liebe ein. Der Satz ist in einfacher dreiteiliger Liedform geschrieben.« Über das Finale, den fünften Satz, äußerte sich der Komponist: »Sokrates beschreibt seinen Besuch bei der Seherin Diotima und zitiert ihre Rede zur Lehre von der dämonischen Liebe.« Als Alkibiades und seine betrunkenen Zechgenossen stören, beginnt der abschließende Rondo-Teil, in dem die Musik schließlich über jazzartige Tanzrhythmen zur fröhlichen Feststimmung zurückfindet. »Wenn in diesem Fest eine Andeutung von Jazz enthalten ist«, so Bernstein, »wird das hoffentlich nicht als anachronistische griechische ›Party-Music‹ verstanden werden, sondern als die natürliche Ausdrucksweise eines zeitgenössischen amerikanischen Komponisten, der von dem Geist jener zeitlosen Abendgesellschaft erfüllt ist.«