Joshua Weilerstein & Vilde Frang

Lebensdaten des Komponisten
5. (17.) Juni 1882 in Oranienbaum bei Sankt Petersburg – 6. April 1971 in New York

Entstehungszeit
1931

Uraufführung
23. Oktober 1931 in Berlin mit dem Geiger Samuel Dushkin unter der Leitung des Komponisten

Das Werk beim BRSO
Erstaufführung: 17. Juni 1952 in der Aula der Universität mit Arthur Grumiaux (Violine) unter Igor Markevitch
Weitere Aufführungen mit Roman Totenberg unter Rafael Kubelík und Frank Peter Zimmermann unter Esa-Pekka Salonen
Zuletzt auf dem Programm: 24./25. Juni 2010 im Herkulessaal mit Gil Shaham unter John Storgårds
Studioproduktion: 2. Juni 1961 im Herkulessaal mit Arthur Grumiaux unter Ernest Bour

Igor Strawinskys Concerto en ré pour violon et orchestre ist, ähnlich wie etwa das Violinkonzert von Johannes Brahms, das Ergebnis einer intensiven und fruchtbaren Zusammenarbeit zwischen Komponist und Interpret. In seinen Erinnerungen an Strawinsky berichtet der amerikanische Geiger Samuel Dushkin: »Eines Abends, es war im Jahre 1930, diskutierten mein Freund und Verleger Willy Strecker […] und ich über zeitgenössische Musik im Allgemeinen und über zeitgenössische Violinmusik im Besonderen. Wir empfanden beide, dass, wenn Strawinsky bewogen werden könnte, ein Konzert für Violine und Orchester zu schreiben, damit ein sehr bedeutender Beitrag zur Violinmusik zustande käme.« Willy Strecker übernahm die Aufgabe, den Komponisten mit dem jungen Geiger bekannt zu machen.

Nachdem Strawinsky sein ursprüngliches Misstrauen, es könne sich bei Dushkin um den typischen »Virtuosen« im negativen Sinne handeln, abgelegt hatte, freundeten sich die beiden rasch an. Wenige Wochen später begann der Komponist mit der Arbeit an seinem neuen Werk. Anfänglich befürchtete er allerdings, zu wenig von den technischen Möglichkeiten der Violine zu verstehen, um für dieses Instrument effektvoll schreiben zu können. Daher wandte er sich an Paul Hindemith, der vorzüglich Geige und Bratsche spielte: »Er beruhigte mich völlig, denn er meinte, dass […] diese Tatsache mir helfen werde, jede technische Routine zu vermeiden, und so hätte ich es viel leichter, eine Musik zu schreiben, die nicht von den gewohnten Fingerbewegungen beeinflusst sei.«

Beflügelnder Austausch
Dushkin stand dem Komponisten als Ratgeber in technischen Fragen zur Seite. Der Solopart wurde quasi von beiden gemeinsam entworfen: Dushkin prüfte die Entwürfe Strawinskys und machte, wo nötig, Verbesserungsvorschläge. Wenn Strawinsky dann einen dieser Vorschläge annahm, bestand er in der Regel darauf, sämtliche Grundlagen zu ändern: »Einmal, als mir [Dushkin] die Art gefiel, wie ich eine brillante geigerische Passage angebracht hatte, und ich ihn dazu zu bringen suchte, sie anzunehmen, sagte er: ›Sie erinnern mich an einen Verkäufer in der Galerie Lafayette. Sie sagen: Ist das nicht brillant, sehen Sie, das tragen alle. Ich sage: Ja, es ist brillant, es ist wundervoll, alle tragen es – ich will es nicht!‹«

Strawinskys Absicht war es dennoch, ein regelrechtes Virtuosenkonzert zu schreiben, das »nach Geige stinken« sollte; dabei hatte die von ihm intendierte Virtuosität wenig mit herkömmlicher »Geigermusik« gemein. Die Zusammenarbeit mit Dushkin erlaubte ihm, die spielerischen Möglichkeiten der Violine voll auszuschöpfen und seine neuartigen Konzeptionen optimal umzusetzen. Der Enthusiasmus, mit dem die beiden Künstler ans Werk gingen und sich gegenseitig beflügelten, ist denn auch im Ergebnis spürbar. Strawinskys Violinkonzert ist eines der originellsten und lebendigsten Solokonzerte des 20. Jahrhunderts, »Spielmusik« im doppelten Sinn des Wortes. Die Uraufführung fand am 23. Oktober 1931 in Berlin statt; der Komponist stand am Pult des Berliner Rundfunk-Orchesters.

Historische Vorbilder und Collagetechnik
Bereits in den Satzüberschriften des Violinkonzerts – Toccata, Aria I, Aria II, Capriccio – zeigt sich Strawinskys Orientierung am barocken Konzerttypus. Im Einleitungssatz wechseln sich, wie bei Bach oder Vivaldi, Orchesterritornelle und Solopassagen ab. Prägendes Merkmal der Aria II ist eine mehrfach wiederkehrende rhetorische Melodiefloskel im Stil barocker Intraden. Jeder Satz wird von einem Akkord in sehr weiter Lage eingeleitet; diesen Akkord nannte Strawinsky den »Pass« zu seinem Konzert. Obwohl eine große Besetzung vorgeschrieben ist (dreifaches Holz, drei- bis vierfaches Blech inklusive Tuba), bleibt der Orchesterklang stets kammermusikalisch transparent.

Ungeachtet des barocken Gestus dieser Komposition verbietet sich der Vergleich mit der Sachlichkeit eines Hindemith oder mit Werken im so genannten alten Stil, wie sie im frühen 20. Jahrhundert en vogue waren (man denke etwa an Prokofjews Symphonie classique, an Ottorino Respighis Antiche danze ed arie oder an Richard Strauss‹ Orchestersuiten nach Couperin). Strawinsky fertigte in seiner Musik keine getreuen Stilkopien an; der oft missbrauchte Begriff »Neoklassizismus« ist auf sie nicht anwendbar. »Ich bin kein Neoklassiker; ich habe mich lediglich einer strengeren Form der Konstruktion zugewandt, aber ich bin ein moderner Musiker geblieben.« Über sein Verhältnis zur Tradition äußerte sich Strawinsky mit folgenden Worten: »Wahre Tradition ist nicht Zeuge einer abgeschlossenen Vergangenheit; sie ist eine lebendige Kraft, welche die Gegenwart anregt und belehrt. […] Man knüpft an eine Tradition an, um etwas Neues zu machen. Die Tradition sichert auf solche Weise die Kontinuität des Schöpferischen.«

Die Kompositionsmethode Strawinskys weist Analogien zur Collagetechnik der bildenden Kunst auf. Ebenso wie beispielsweise Marcel Duchamp vorgefundene Gegenstände und Materialien zu Kunstobjekten, den »readymades«, zusammenfügte, montierte Strawinsky zum Teil heterogene Elemente aus der Musikgeschichte. Verschiedene stilistische Ebenen werden nebeneinandergestellt, ohne miteinander verbunden zu werden: Die »Bruchstellen« bleiben hörbar. Verwendung finden nicht nur historische Modelle, sondern ebenso Versatzstücke aus der Trivialmusik und dem Jazz. So stehen im Kopfsatz des Violinkonzerts (Toccata) barockisierende Spielfiguren, Reminiszenzen an Jahrmarktmusik und sentimentale Walzermelodien unmittelbar nebeneinander. Und in der Stretta des Capriccio greift Strawinsky kurz auf die bizarre Tonsprache der Geschichte vom Soldaten zurück, um gleich darauf die Geige in höchsten, pfeifenden Flageolett-Tönen zum Spieluhr-Rhythmus des Orchesters einen Gassenhauer intonieren zu lassen.

Respektlosigkeit oder künstlerische Freiheit?
Der unbekümmerte Umgang mit der Tradition wurde Strawinsky, besonders in Deutschland, verschiedentlich zum Vorwurf gemacht; man unterstellte ihm böswilligen Sarkasmus. Ärger über die »Respektlosigkeit« des Komponisten war denn auch der Tenor in den nach der Uraufführung erschienenen Kritiken. In der Allgemeinen Musikzeitung vom 31. Oktober 1931 etwa beschwerte sich der Kritiker Fritz Brust über die »fortgesetzte Parodierung alter, liebgewonnener Formen«, und Fritz Stege nannte das Konzert gar »eine ›Bachschändung‹, die auf dem Urgrund Bachscher Stileigenheiten das wirre Gedankengestrüpp hypermodernen Unfugs verpflanzte mit Anklängen von Kirmes-Musik in bäuerisch-derber Instrumentation, und die unter der Schminke französischer Zivilisation die Wildheit halbasiatischer Instinkte erkennbar genug aufleuchten ließ« (Zeitschrift für Musik, Dezember 1931).

Nichts lag Strawinsky jedoch ferner als sich über die Tradition lustig zu machen. Im Gegenteil: Gerade die Beschränkungen, die ihm von der Arbeit mit dieser Tradition auferlegt wurden, ermöglichten ihm die freie Entfaltung seiner künstlerischen Individualität: »Ich brauche nur eine theoretische Freiheit. Man gebe mir etwas Begrenztes, Bestimmtes, eine Materie, die meiner Arbeit insofern dienen kann, als sie im Rahmen meiner Möglichkeiten liegt. Sie bietet sich mir mit ihren Grenzen dar. Es ist an mir, ihr nun die meinigen aufzuerlegen. […] Meine Freiheit besteht also darin, mich in jenem engen Rahmen zu bewegen, den ich mir selbst für mein Vorhaben gezogen habe.«

Lebensdaten des Komponisten
12. (25.) September 1906 in St. Petersburg – 9. August 1975 in Moskau

Entstehungszeit
18. April – 20. Juli 1937

Uraufführung
21. November 1937 mit der Leningrader Philharmonie unter der Leitung von Jewgenij Mrawinskij

In der Sowjetunion, im »fortschrittlichsten Land der Welt«, wie die Propaganda verkündete, begann mit dem Jahr 1935 die Schreckenszeit der »Großen Tschistka«, der »Säuberungen« in Partei und Gesellschaft, des verschärften Klassenkampfes, der willkürlichen Verhaftungen, der Schauprozesse, des Massenmords. Bekannte und unbekannte Künstler, widerständige und anpasslerische, mussten um ihr Leben bangen. Der Dichter Ossip Mandelstam, der es wagte, Josef Stalin herauszufordern (»Der Kremlbergbewohner […] wie eine Kakerlake lacht sein Schnurrbart«), kam auf dem Marsch in ein sibirisches Lager um. Der Regisseur Wsewolod Meyerhold wurde von Stalins Schergen erschossen, der Schriftsteller Isaak Babel hingerichtet. Ein mit Dmitrij Schostakowitsch eng befreundeter Komponist, Nikolai Schiljajew, sah sich dem abstrusen Verdacht ausgesetzt, an einer Verschwörung gegen den Diktator teilzuhaben, eine konstruierte Beschuldigung, die gleichwohl seine Inhaftierung, schwerste Misshandlung und Ermordung zur Folge hatte.

»Warten auf die Exekution ist eines der Themen, die mich mein Leben hindurch gemartert haben«, verriet Schostakowitsch. »Viele Seiten meiner Musik sprechen davon.« Der im Jahr 1906 in St. Petersburg geborene Komponist, der in seiner Jugend noch für die Oktoberrevolution geschwärmt hatte, sah sich in der Sowjetunion bald Schikanen aller Arten ausgesetzt: Die Partei lobte ihn, und die Partei drohte ihm, prämierte seine Werke und ließ sie von den Spielplänen verschwinden, bürdete ihm Ämter auf und nahm ihm Ämter weg. Seine Musik wurde im zentralen Parteiorgan, der Prawda, als »Chaos« beschimpft, er selbst zu den entwürdigenden Ritualen öffentlicher Buße und Abbitte gezwungen. Und doch konnten die kommunistischen Machthaber nicht verhindern, dass Schostakowitsch Zeugnis ablegte von dem Zeitalter, dem er angehörte: In seinen Kompositionen sprach er aus, was weder gesagt noch gesungen, was nicht einmal gedacht werden durfte.

Mit der staatlich inszenierten Kampagne gegen Schostakowitschs Oper Lady Macbeth von Mzensk, der in der Prawda »Gepolter, Geprassel und Gekreisch«, »Lärm« und »neurotische Musik« vorgeworfen wurde, war die stalinistische Willkürherrschaft auch im Musikleben in ihr gefährlichstes Stadium eingetreten, und sie erschöpfte sich nicht in Zensurmaßnahmen und Aufführungsverboten gegen »formalistische« Werke und »volksfremde« Künstler. »Ich weiß noch zu gut, wie jedermann in Moskau Nacht für Nacht befürchten musste, verhaftet zu werden«, berichtete der Geiger David Oistrach im Rückblick auf die grauenhaftesten Jahre der Stalin-Ära. »Jede Nacht habe ich das Schlimmste befürchtet und für diesen Fall, der mir unausweichlich schien, warmes Unterzeug und etwas zu essen bereitgestellt. Ihr könnt euch nicht vorstellen, was wir durchgemacht haben – jede Nacht zu lauschen und zu warten, ob sie an die Tür pochen, ob ein Auto vor der Haustür anhält […] Eines Nachts sahen wir die ›schwarze Marusja‹ [den Wagen der Geheimpolizei] auf der anderen Straßenseite stehen. Wohin wollten sie? Zu uns oder zu den Nachbarn? Unten ging die Haustür, und der Aufzug setzte sich in Bewegung, stand auf unserer Etage still. Wie gelähmt horchten wir auf die Schritte. Vor welcher Tür machten sie halt? Eine Ewigkeit verging. Dann hörten wir sie an einer anderen Wohnungstür klingeln. Seit diesem Abend weiß ich, dass ich kein Kämpfer bin.«

In nur drei Monaten des Jahres 1937 komponierte Schostakowitsch seine Fünfte Symphonie op. 47. Er sollte diese Partitur, die unter der Leitung von Jewgenij Mrawinskij am 21. November 1937 in Leningrad uraufgeführt wurde, in einer offiziellen Stellungnahme als »schöpferische Antwort« auf die gegen ihn erhobenen Vorwürfe ausgeben. »Wenn es mir tatsächlich gelang«, schrieb Schostakowitsch, »in meine Musik all das hineinzulegen, was ich nach den kritischen Artikeln der Prawda durchdacht und empfunden habe, kann ich zufrieden sein.« Diese Worte sind lange Zeit in Ost und West für bare Münze genommen worden: mit Genugtuung oder mit Bedauern, je nach Standort. »Nach Anhören dieses Werkes kann man getrost sagen, dass der Komponist als wahrhaft großer sowjetischer Künstler seine früheren Fehler liquidierte und einen neuen Weg beschritten hat«, behauptete etwa Schostakowitschs Kollege Dmitrij Kabalewski. War und ist dies eine zutreffende Einschätzung? Hatte Schostakowitsch mit seiner Fünften eine Symphonie im Sinne des »sozialistischen Realismus« vorgelegt, monumental, volkstümlich und optimistisch?

Schostakowitschs Fünfte Symphonie beginnt mit einem energischen Gestus im doppelt punktierten Rhythmus – aber schon im dritten Takt scheint die Kraft zu versiegen, und in den Ersten Violinen hebt »piano« eine ausgedehnte melodische Phrase an, elegisch im Charakter, vielgestaltig und motivisch profiliert: jedenfalls mitnichten eine »einfache und verständliche Melodie« nach dem Maßstab der sowjetischen Musikdoktrin. Überhaupt durchziehen solche einsamen, oftmals nur karg begleiteten »Stimmen« die Exposition des Kopfsatzes: Und Schostakowitsch verleiht ihnen immer wieder eine fragile klangliche Gestalt und betont damit ihren gefährdeten Status. Und wo bleibt die Monumentalität?

Sie kommt im Laufe des Satzes durchaus noch zu ihrem Recht, aber in welcher Form! Das beschriebene zarte Thema der Ersten Violinen wird zum grotesken, lärmenden Marsch entstellt; und der ätherische Gesang des Seitenthemas kehrt in dröhnenden Blechbläserintonationen wieder. Mit anderen Worten: Den Themen wird auf furchtbarste, ihre Individualität zerstörende Weise Gewalt angetan, und wenn dieser Satz Monumentalität zelebriert, dann als Erscheinungsform des Brutalen, Niederschmetternden: »Überwältigend« wäre dafür der richtige, doppeldeutige Ausdruck. Seine Symphonie behandle das »Werden der Persönlichkeit«, hatte Schostakowitsch in einer offiziellen Verlautbarung erklärt. Und in der Tat gibt seine Musik eine unmissverständliche Antwort auf die Frage, was aus der einzelnen, schutzlosen Persönlichkeit werde unter den Bedingungen einer Diktatur, deren Allmachtanspruch keine Grenzen des Privaten respektiert.

Der zweite, Mahler-verwandte und -inspirierte Satz (Allegretto) benutzt volkstümliche und triviale Elemente, Ländler, Walzer, Dorfmusikantenpraxis und Operettenseligkeit, allerdings in karikierender Absicht und mit – wie man meinen sollte – unüberhörbarer Spottlust. Nach einer Aufführung der Symphonie 1942 in Basel bemerkte der Kritiker Otto Maag: »Da gibt es im 2. Satz eine Melodie [in den Hörnern], die so stark erinnert, dass man fast mitsingen möchte: ›Im weißen Rössl am Baikalsee.‹« Die sozialistischen Forderungen nach Monumentalität und Volkstümlichkeit werden in den ersten beiden Sätzen ad absurdum geführt, der Lächerlichkeit preisgegeben und als Kennzeichen einer brutalen Überwältigungsästhetik entlarvt.

An dritter Stelle der Satzfolge schließt sich mit dem Largo eine Musik an, die sich von der ironischen Verfremdung, der »indirekten Rede« des Vorangegangenen vollkommen abwendet und eine unverschlüsselte, subjektive Sprache der Klage, der Trauer und des Schmerzes spricht. »Die meisten meiner Symphonien sind Grabdenkmäler«, sagte Schostakowitsch. »Zu viele unserer Landsleute kamen an unbekannten Orten um. Niemand weiß, wo sie begraben liegen.«

Blieben noch die vermeintlichen Sieges- und Jubelklänge des Finales (Allegro non troppo), das in besonderem Maße die Missbilligung westlicher Kommentatoren provozierte. Folgte Schostakowitschs Fünfte, wie die Fünfte von Beethoven oder die Fünfte von Tschaikowsky, etwa einer plakativen »per aspera ad astra«-Dramaturgie? »Es gab doch nichts zu jubeln. Was in der Fünften vorgeht«, sagte Schostakowitsch im vertraulichen Gespräch, inoffiziell und abseits der erpressten Bekenntnisse, »sollte meiner Meinung nach jedem klar sein. Der Jubel ist unter Drohungen erzwungen wie in Boris Godunow. So, als schlage man uns mit einem Knüppel und verlange dazu: ›Jubeln sollt ihr, jubeln sollt ihr.‹« Dem in die Sowjetunion emigrierten Dirigenten Kurt Sanderling hat Schostakowitsch verraten, dass er die letzten Seiten der Partitur, den wie besessen wiederholten Ton ›a‹, als Chiffre für ein unablässig herausgeschrienes »Ich« verstand: »Ich, Ich, Ich habe gesiegt – und nicht ihr.«

Die Diktatoren kommen und gehen (und kommen leider wieder), aber Schostakowitschs Musik hat alle Wechselfälle der Geschichte überdauert. Sie selbst ist das Licht in einer Nacht, die nicht vergehen will.

Ihre Interpretationen sind gekennzeichnet durch einen außergewöhnlich lyrischen Ton wie auch höchste energetische Spannung, gepaart mit individueller Gestaltungskraft. Dank dieser Gaben zählt Vilde Frang zu den international gefragtesten Geigensolistinnen und -solisten ihrer Generation. Regelmäßig gastiert sie bei den führenden Orchestern wie z. B. den Berliner Philharmonikern, dem Koninklijk Concertgebouworkest in Amsterdam, dem London Symphony Orchestra, dem Los Angeles Philharmonic, dem Chamber Orchestra of Europe und dem Budapest Festival Orchestra. In dieser Saison war sie u. a. bereits mit dem Tonhalle-Orchester Zürich unter Paavo Järvi und Bartóks Violinkonzert Nr. 2 oder auch mit dem Kammerorchester Basel unter Philippe Herreweghe und Schumanns Violinkonzert zu erleben. Alban Bergs Dem Andenken eines Engels brachte sie anlässlich ihres Debüts beim Orchestra dell‹ Accademia di Santa Cecilia und im Rahmen einer Europatournee mit dem Bayerischen Staatsorchester unter Vladimir Jurowski zu Gehör.

Als Artist in Residence von Radio France wird Vilde Frang in der aktuellen Spielzeit überdies vom Orchestre National de France und vom Orchestre Philharmonique de Radio France begleitet. Die norwegische Künstlerin arbeitete mit Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Bernard Haitink, Herbert Blomstedt, Vladimir Ashkenazy, Esa-Pekka Salonen, Iván Fischer, Jakub Hrůša, Manfred Honeck und Daniel Harding zusammen. Besonders hervorgehoben sei die Rolle von Mariss Jansons, der Vilde Frang als Zwölfjährige zum Oslo Philharmonic einlud und auch 2012 am Pult stand, als sie gemeinsam mit dem BRSO in München und Luzern auftrat. Ihre Leidenschaft für die Kammermusik führt Vilde Frang zu renommierten Festivals, darunter die BBC Proms, die Salzburger Festspiele, das Lucerne Festival und der Prager Frühling, und an herausragende Spielstätten von der Carnegie Hall bis zum Musikverein Wien. Ihre Aufnahmen brachten der Violinistin viele Auszeichnungen ein – etwa den Edison Klassiek, den Deutschen Schallplatten- preis, den Grand Prix du Disque und zwei Gramophone Awards.

Vilde Frang wurde am Barratt-Due-Musikinstitut in Oslo, an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg sowie bei Ana Chumachenco an der Kronberg Academy ausgebildet. Sie spielt ein Instrument von Guarneri del Gesù (»Rode«) aus dem Jahr 1734.

Nicht zuletzt dank seiner ausdrucksstarken Körpersprache und seiner dynamischen Bühnenpräsenz vermag der amerikanische Dirigent Joshua Weilerstein seine Interpretationen eindrucksvoll »auf den Punkt« zu bringen. Dabei verfügt er über ein breites Repertoire von der Renaissance bis zur Gegenwart und präsentierte neben dem traditionellen Werkekanon auch Zeitgenössisches etwa von Jörg Widmann, Caroline Shaw, Derrick Skye und Christopher Rouse. Zum Beginn der aktuellen Saison hat er sein Amt als Chefdirigent des dänischen Aalborg Symfoniorkester angetreten; ab der nächsten Spielzeit wird er außerdem Musikdirektor des Orchestre National de Lille sein.

Joshua Weilerstein gastiert regelmäßig in Europa. So hat er mit dem SWR Symphonieorchester, der NDR Radiophilharmonie, der Deutschen Kammerphilharmonie Bremen oder auch dem Orchester der Komischen Oper Berlin zusammengearbeitet und wird im April mit dem Konzerthausorchester Berlin musizieren. Beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks debütierte er 2022 im Rahmen des Internationalen Musikwettbewerbs der ARD, wo er die Finalrunden in verschiedenen Fächern sowie das Preisträgerkonzert mit dem BRSO leitete.

Weitere Einladungen führten ihn z.B. zum London Philharmonic Orchestra, zum Royal Liverpool Philharmonic, zum BBC Philharmonic und zum City of Birmingham Symphony Orchestra. Von 2015 bis 2021 war Joshua Weilerstein Künstlerischer Leiter des Orchestre de Chambre de Lausanne. Ebenso gefragt ist der Künstler in den USA, wo er am Pult z.B. des Chicago Symphony Orchestra, der San Francisco Symphony, des Philadelphia Orchestra und des New York Philharmonic stand. 2021 wurde er Musikdirektor des Kammerorchesters Phoenix in Boston, das sich besonders für die Zugänglichkeit von Klassik einsetzt.

In eine musikalische Familie hineingeboren, absolvierte Joshua Weilerstein sein Masterstudium in den Fächern Violine und Dirigieren am New England Conservatory in Boston. Nachdem er den Ersten Preis und den Publikumspreis bei der Malko Competition for Young Conductors 2009 in Kopenhagen gewonnen hatte, war er von 2012 bis 2015 als Dirigierassistent beim New York Philharmonic engagiert. Mit seinem Klassik-Podcast »Sticky Notes« erreicht er mittlerweile eine große Fangemeinde.